Am 24. Juni 2022 wurde der neue Andachtsraum „St. Johannes“ am Hof Gimbach eingeweiht.
Noch einmal als Einstieg und Erinnerung: Die ersten steinernen Nachweise über eine sakrale Besonderheit dieses Geländes gehen bis ins sechste Jahrhundert zurück.
Über Jahrhunderte standen unterschiedliche Gebäude hier wie zum Beispiel eine Kapelle,
die erst Anfang des 19. Jahrhunderts abgetragen worden war.
Prozessionen und Wallfahrten hierher sind seit ca. 1650 bezeugt und werden immer noch durchgeführt.
Zeichnungen, Gemälde und Eintragungen in Landkarten von den Baulichkeiten gibt es ebenfalls schon seit Jahrhunderten.
(Eine kleine Anmerkung zu verschiedenen Bildern und Darstellungen von damals: aus künstlerischen Gesichtspunkten wurde der Hintergrund, z. B. der 451 m hohe Berg Staufen ins Gesamtbild passend an eine andere Stelle versetzt).
Von Familie Pfeffer und nachfolgend von Familie Schiela gab es bereits um 1912 Überlegungen, die abgetragene Kapelle wieder zu errichten. Sogar Baumaterialien aus dem Bestand waren gesammelt worden.
Aber erst ca. 100 Jahre später, ca. 2010, wurde der Gedanke zum Bau einer Pilgerstätte oder eines Wallfahrtsraums wieder aufgegriffen, ein wenig über verschlungene Pfade:
Der Ehemann von Frau Schiela unterhielt sich bei einem Arztbesuch in Flörsheim mit dem Arzt, einem Verwandten der Familie. Dabei war ein Gesprächsthema ein Andachtsraum in Gimbach. Über das Ärzte-Ehepaar Dr. Betina Kilb-Fessler und Dr. Joachim Fessler wurde ich, Helmut Mohr, als Freund und Architekt angesprochen, da ich mich seit 1983 im Main-Taunus-Kreis mit Kirchenbauten und Kirchenrenovierungen befasst habe.
Mit dem Kontakt zu Frau Schiela und Ihrer Schwester starteten dann die Abstimmungen und Leistungen, deren Ergebnis hier zu sehen ist.
Zuerst wurde mit den Vertretern des Landesamtes für Archäologie Hessen der ursprüngliche Standort der Kapelle und der Eremitage gesucht. Dieser lag, wie oben schon angedeutet, nicht dort, wo er über Jahrzehnte vermutet worden war.
Ein erster Bauantrag „Errichtung eines Andachtsraums“ an den Streuobstwiesen oben auf der Kuppe Richtung Fischbach wurde abgelehnt: „Bauen im Außenbereich“ ist nicht einfach. Abstimmungen vor Ort mit Beteiligten zur Ausarbeitung von Bauantrag Nummer 2 und einige Zeit später Bauantrag Nummer 3, wieder am Weg nach Fischbach, zeigten: diese Standorte waren auch auf der „falschen“ westlichen Seite des Weges und mussten aufgegeben werden. Nach erneuten Ortsterminen ist der vierte Standort des Andachtsraums genehmigt worden: hier, wo zwischen zwei Geländekuppen eine Senke vorliegt, am kleinen Teich. Zum Bauantrag notwendig waren die original unterschriebenen Empfehlungsschreiben von zahlreichen Kirchengemeinden für die Errichtung eines Andachtsraums – bis einschließlich Wiesbaden sowie vom Limburger Bischof und von Kardinal Lehmann aus Mainz.
Bei der Planung des kleinen Gebäudes war eine Vorgabe der Stifterfamilie:
der Raum soll ein Raum der Stille werden und einem kleinen Personenkreis die Möglichkeit bieten,
Lesungen und Gespräche vorzunehmen.
Gleichzeitig müssen aber Wallfahrten mit sehr vielen Teilnehmern den Andachtsraum erleben können.
In Europa haben Pilgerkirchen an Pilgerwegen wie z. B. St. Leonhard in Frankfurt meist gesonderte Vorhallen oder Räume für die Pilger, damit der Kirchenraum seine Nutzung nicht gestört wird.
Zum Gebäude selbst
Der Andachtsraum hier ist exakt von Osten nach Westen ausgerichtet. Der Kapellenraum hat die Dimensionen 5,20 m in der Länge, 5,20 m in der Breite und 5,20 m in der Höhe, also für jede Woche im Jahr 10 cm.
Das weit auskragende Dach hat eine Gesamtlänge van 10,40 m, also zwei Mal 5,20 m. Auch andere Bauteile wie z. B. der Türgriff in Kreuzform geht auf eine Maßteilung von ,,52" zurück.
Der kleine quadratische Innenraum mit der halbrunden Apsis aus Lärchenholz ist meist geschlossen mit Belichtung über die Zwischenraume unter der Außenwand und unter dem Dach sowie Ober das Fenster nach Westen.
Die nach Osten ausgerichtete Apsis ist zweigeteilt und kann geöffnet werden. Somit kann zum Beispiel den Pilgern aus Wiesbaden- Kostheim bei der einmal im Jahr stattfindenden Pilgerwanderung im September mit ca. 150 Personen die Teilnahme an einem Gottesdienst ermöglicht werden.
Der Andachtsraum war in Holzbauweise geplant, wurde dann auf Wunsch der Bauherrin in Massivbauweise ausgeführt.
Schon in den Vorplanungen zum Andachtsraum wurde darauf Wert gelegt, sichtbar zu machen, dass das kleine Bauwerk ein nicht alltägliches Objekt ist.
Die eigentlichen Wände beginnen über dem meist offenen Sockel, die Dachkonstruktion ohne sichtbare Holzbalken ruht auf nur sechs Metallpfosten leicht über der Wand.
Mit den abgesetzten Bauteilen, Wand und Dach oben und unten wird der Raum gut durchlüftet, Feuchteschäden in meist ganztägig geschlossenen Kirchenräumen sollen vermieden werden. In der Dämmerung sowie im Dunkeln ,,strahlt" auf einfache, ruhige Art der Andachtsraum mit der Beleuchtung unter den abgehobenen Außenwänden und unter dem abgehobenen Dach.
Für den Charakter des ,,Andachtsraums" wesentlich sind,
außer den Grundformen quadratischer Baukörper mit hoher Tür
-Halbrunde Apsis
-Auskragendes einfaches Satteldach fast ohne Stützen
-Das Fenster in Kreuzform mit buntem Glas, hergestellt durch einen Glaskünstler
Viele Aspekte am Gebäude wurden in langen Gesprächen und Abstimmungen zwischen Auftraggeberin und Architekt erarbeitet.
Frau Margret Schiela und ihre Schwester sind glücklich, dass trotz der zahlreichen Vorgaben der Gesetzgeber zum Bauen im Außenbereich in vielen Gesprächen mit den beteiligten Behörden ein lang gehegter Kindheitswunsch verwirklicht werden durfte.
Dafür zum Schluss der aufrichtige Dank von der Familie Schiela.
Dieser Text und die Informationen wurden zusammen- und zur Verfügung gestellt
von
dem Architekten Helmut Mohr.
Vielen Dank dafür.
Enthüllung der mittelalterlichen Wallfahrtskapelle und ihrer Kaplanei
Die Chronik des Hofes war immer eng verbunden mit der Wallfahrtskapelle, welche bis zu ihrem Abriss im Jahre 1830 in unmittelbarer Nähe stand.
Im September 2011 konnte durch eine archäologische Untersuchung der Standort der 1830 abgebrochenen Gimbacher Wallfahrtskapelle gefunden werden. Margret Schiela, die Wirtin des Gimbacher Hofes, veranlasste eine Grabung im Obstgarten südlich der Gaststätte. Dort zeigten sich bei der geoelektrischen Sondierung von Richard Vogt etwa 25 bis 40 cm unter der Oberfläche der Wiese die Strukturen von zwei Bauwerken: der ehemaligen Kapelle sowie ein nahezu quadratischer Gebäudegrundriss von etwa 4,80 m Seitenlänge.
Der Archäologe Frank Lorscheider stellte nach der Freilegung der Grundmauerreste des quadratischen Gebäudes fest, dass es sich hierbei um die Unterkonstruktion eines Fachwerkbaues handelt. Keramikfunde datieren das Alter des Hauses in das 14. Jahrhundert zurück. Damit dürfte es wohl die Kaplanei, das Wohnhaus der Kapläne von Gimbach gewesen sein, die in Urkunden von 1300 bis 1538 als Betreuer der Kapelle genannt werden.
Bei der Sondierung fanden die Archäologen einen Teil der Kapelle, einen sechs Meter langen Mauerzug. Bei der Grabung konnte am Ende der Mauerstrecke ein Teil des Chorabschlusses der mittelalterlichen Kapelle, die 1287 erstmals erwähnt wurde und Johannes dem Täufer geweiht war, ausgegraben werden. Sargnägel und Knochenreste die außerhalb der Kapelle gefunden wurden, ergänzen die urkundliche Überlieferung eines Kirchhofs bei der Kapelle. Im Jahre 1868 wurde in Gimbach der Grabstein der Roteldis aus dem 7. Jahrhundert gefunden und nach Fischbach in die kath. Pfarrkirche gebracht. Er ist ein Rest dieses Gimbacher Kirchhofs und indirekt ein Beweis für einen Vorgängerbau des nunmehr gefundenen spätmittelalterlichen Kapellenbaus.
(Text und Fotos Dietrich Kleipa)
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